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Großartiges Wochenende für die LG Rhein-Wied bei der deutschen Leichtathletik-Meisterschaft im Kasseler Auestadion. Mit vielen persönlichen und Saisonbestleistungen zeigten die heimischen Athleten in Nordhessen, dass der Formaufbau bestens funktioniert hat.

„Bestzeit angreifen“, dieses Ziel schrieb sich Viktoria Müller (Foto: Iris Hensel) für das Halbfinale über 100 Meter Hürden auf die Fahnen. Schon bei der süddeutschen Meisterschaft in Ulm hatte sie mit ihrem Gold-Lauf und Hausrekord (13,50 Sekunden) ihre starke Verfassung angedeutet. In Kassel gelang der 26-Jährigen mit einer Verbesserung auf 13,35 und 13,29 Sekunden ein Quantensprung. Müller gehört mit Platz vier im Endlauf und nur drei Hundertstelsekunden Rückstand auf Bronze-Gewinnerin Monika Zapalska jetzt endgültig zu den besten deutschen Hürdensprinterinnen. Nach dem Hallentitel in der U20 (2015), und Silber unter freiem Himmel in der U20 sowie der U23 erreichte sie am Wochenende bei der großen Meisterschaft ihr bislang bestes Ergebnis. „Mir war von Anfang an klar, dass ich im Halbfinale nah an meine Bestzeit laufen muss, um das Finale zu erreichen. Das hat sogar noch besser funktioniert als gedacht. Mit meiner Zeit und Platzierung bin ich wahnsinnig zufrieden. Damit habe ich mich selbst ein wenig überrascht“, sagt Müller, die nach ihrer Verletzung an der Schulter auch dank der Unterstützung von Trainer Holger Klein schnell wieder fit wurde. „Ohne ihn wäre diese Leistung niemals möglich gewesen“, schildert die DM-Vierte.

Bei sengender Hitze war die Titeljagd für die Athleten kein Zuckerschlecken. „Wir mussten eine Wetterschlacht bewältigen und haben das Beste daraus gemacht“, sagte Kai Kazmirek zu den heißen Temperaturen. Der Zehnkämpfer schlug nach seinem fünften Platz über 110 Meter Hürden in Saisonbestzeit von 14,41 Sekunden und Rang sieben im Weitsprung (7,25 Meter) schnell den Bogen zum wichtigen Zehnkampf im Bydgoszcz, wo der 32-Jährige die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Budapest angreifen möchte. „Über die Hürden ist mir ein schöner Lauf gelungen, wenngleich er noch nicht 100 Prozent rund war. Im Weitsprung hatte ich ein paar Anlaufprobleme. Vor Bydgoszcz habe ich noch zwei Weitsprung-Trainingseinheiten, in denen ich daran arbeiten werde.“

Das Wettkampf-Wochenende seiner Laufbahn liegt hinter Pascal Kirstges. Der 26-Jährige kam aus den Niederungen der Meldeliste und stand am Sonntag völlig überraschend im 200-Meter-Endlauf. Sieben Jahre sind vergangen, seitdem er in Bad Neuenahr-Ahrweiler die halbe Stadionrunde in 21,49 Sekunden absolvierte. In Kassel drang Kirstges in für ihn ganz neue Dimensionen vor: 21,38 Sekunden im Halbfinale und 21,33 Sekunden im verdammt flotten Endlauf mit Rang fünf sowie persönliche Bestleistung von 10,51 Sekunden über 100 Meter, wo nur 0,04 Sekunden zum Einzug in den Endlauf fehlten. „Die Trainings- und Wettkampfleistungen der zurückliegenden Wochen haben gezeigt, dass ich mit ein bisschen Rückenwind Bestleistungen laufen kann. Dass ich in Kassel mit leichtem Gegenwind so schnell war, war nicht vorhersehbar. Ich weiß aber, dass ich liefern kann, wenn es etwas zu holen gibt, und dieses Wochenende gab es etwas für mich zu holen.“ Kirstges führt die klasse Resultate zum größten Teil auf die Arbeit in seiner Trainingsgruppe mit Kira Roscher, Lennert Kolberg und Reiko van Wees zurück. „Wir pushen uns gegenseitig. Keiner schenkt dem anderen etwas im Training, aber jeder gönnt dem anderen alles.“

Die Ergebnisse wecken Gier nach mehr – vor allem, wenn Kirstges über das 100-Meter-Halbfinale nachdenkt. „Mit der Zeit und der Platzierung bin ich unter den Bedingungen super zufrieden. Aber wenn ich so knapp vor dem Finale stehe und eine Bestleistung ohne Wind laufe, dann müsste ich mit dem Sprint aufhören, wenn ich nicht mehr erreichen will.“ Die schnelle Trainingsgruppe mit Kolberg, van Wees und Kirstges ergänzt um Schlussläufer Florian Raadts steigerte in der 4x100-Meter-Staffel, die in dieser Besetzung erstmals gemeinsam lief, die Rhein-Wieder Vorleistung um fast 1,2 Sekunden auf 40,59 Sekunden und belegte Rang sieben. Kirstges: „Diese Staffel ist kein Projekt, das dieses Jahr endet. Da wächst etwas.“

Sophia Junk musste im 100-Meter-Vorlauf einen Rückschlag hinnehmen. Die nach ihrer Schulter-Operation erst kürzlich in den Wettkampf zurückgekehrte Topsprinterin verletzte sich im 100-Meter-Vorlauf und unterzog sich am Montag einer MRT-Untersuchung. Ohne sie belegte die Staffel mit Miriam Rühle, Lena Brunnhübner, Jessica Roos und Kira Roscher Platz 13 (46,46 Sekunden). Der einzige Rhein-Wieder aus dem Wurfbereich erreichte im Kugelstoßring den Endkampf der besten acht. „Der große Knoten ist in Kassel nicht geplatzt, jedoch ist es ja immer so: Nach der DM ist vor der DM. Eine Tür schließt sich, eine andere geht auf“, sagte Leon Schwöbel nach seinem achten Platz mit einer Weite von 18,32 Metern aus dem vierten Durchgang. „Ich freue mich, im Endkampf noch einmal über 18 Meter gestoßen zu haben. Meine Leistung war nicht perfekt, aber im Kampf um die Top acht befand sich das Quäntchen Glück diesmal auf meiner Seite“, verwies Schwöbel zum Beispiel auf das Aus von Favorit Simon Bayer, der drei ungültige Versuche ablieferte.

Der Westerwälder sieht das Abschneiden nicht nur als Resultat der eigenen Leistungsfähigkeit, sondern auch der großen Unterstützung aus seinem Umfeld: „Meine Trainerin hat mit mir im Laufe der Saison und am Samstag bei Temperaturen weit über 30 Grad immer einen kühlen Kopf bewahrt und ist am Ball geblieben. Zudem hätte ich ohne die Unterstützung durch meine Freundin, Familie und Freunde bereits Anfang der Saison das Handtuch geworfen.“ Außerdem belegte Radha Fiedler über 800 Meter Platz 20 (2:12,38 Minuten).